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Äpfel und Birnen oder: Warum Standards für Industrie 4.0 wichtig sind


Business-Prozesse, vor allem in Produktionsnähe, effizienter zu machen, ist die tägliche Herausforderung von Neoception. Doch wie können konkrete Ansätze für die effiziente Produktion von morgen aussehen und welche Rolle spielt der digitale Zwilling dabei? Adrian Trabold stand uns Rede und Antwort.

Neoception AAS

Wenn Adrian Trabold aus dem Fenster seines Büros am Neoception-Standort in Mannheim schaut, blickt er in der Ferne auf allerlei produzierende Unternehmen – vom Kleinbetrieb bis zum Großkonzern. Als Director of Sales Excellence stellt er sich täglich die Frage, wie er insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen dabei unterstützen kann, ihre Fertigungsprozesse effizienter zu gestalten und nachhaltiger zu handeln. Denn während sich auf der einen Seite mit mehr Effizienz in der Produktion Zeit und Geld sparen lassen, fordern zunehmend auch Gesetzgeber die Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen und Nachweise über die Nachhaltigkeit einzelner Produkte. Für beides ist die Transparenz über die gesamte Lieferkette eines Produkts hinweg eine Voraussetzung. Das Pepperl+Fuchs Start-up Neoception unterstützt mit der Neoception® Digital Twin Infrastructure Unternehmen dabei, die entsprechend erforderlichen Daten zu erfassen und zentral in einem von der Industrie standardisierten Format bereitzustellen, sodass sie nicht nur von den produzierenden Unternehmen selbst, sondern auch von deren Kunden und weiteren Stakeholdern genutzt werden können. Wir haben mit Adrian Trabold darüber gesprochen, was genau dahinter steckt und welche Vorteile Unternehmen haben, wenn sie die Unterstützung von Neoception in Anspruch nehmen.

Herr Trabold, was versteht man unter dem Buzzword „digitaler Zwilling“ eigentlich genau?
Adrian Trabold Der digitale Zwilling ist eine virtuelle Repräsentanz eines spezifischen Assets – also eines physischen Produkts, einer Anlage, eines Prozesses oder eines Systems. Das darf man sich aber nicht einfach als Abbild vorstellen, denn der digitale Zwilling ist viel mehr. Hier passt auch ganz gut der im Zusammenhang mit Industrie 4.0 verwendete Begriff der Verwaltungsschale, beziehungsweise auf Englisch Asset Administration Shell (AAS), die einen Standard für einen digitalen Zwilling beschreibt: An einem digitalen Ort werden alle Informationen, die es zu diesem spezifischen Asset gibt, in einem standardisierten Format zur Verfügung gestellt. Dazu gehören neben Produktinformationen, Handbüchern und Datenblättern zukünftig auch Echtzeitdaten, Simulationen und Analysen.

Haben Sie ein greifbares Beispiel aus der Praxis für uns, damit man sich das besser vorstellen kann?
Adrian Trabold Ein klassisches anschauliches Beispiel, an dem wir auch gerade zusammen mit Pepperl+Fuchs für das firmeneigene Produktportfolio arbeiten, ist das digitale Typenschild eines Produkts. Stellen Sie sich vor, Sie sind als Monteur in einer Anlage unterwegs und sollen eine Maschine warten, wollen aber keine Handbücher mit sich herumtragen, die Sie dann auch noch wälzen müssen. Viel bequemer ist es doch, wenn Sie einfach Ihr Smartphone nehmen und einen QR-Code am betreffenden Produkt scannen können, über den Sie auf alle notwendigen Informationen zu diesem spezifischen Produkt, wie zum Beispiel technische Daten, Wartungsanleitungen oder Zertifizierungen, zugreifen können. Genau das macht die Asset Administration Shell: Sie ermöglicht einen direkten Zugang zu all diesen Daten zu einem Asset. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Material und Geld.

Digitales Typenschild

Warum brauchen wir denn Standards für all diese Daten?
Adrian Trabold Wenn man sich die Lieferkette eines Produkts vor Augen hält, wird deutlich, dass hier viele verschiedene Unternehmen daran beteiligt sind. Von verschiedenen Rohstofflieferanten über den Hersteller und Zwischenhändler bis hin zum Konsumenten – und streng genommen gehört am Ende sogar noch das Entsorgungsunternehmen dazu. Um eine durchgängig transparente Lieferkette sicherzustellen und darüber Bericht erstatten zu können, wie es neue Gesetze erfordern, müssen alle Parteien entsprechende Daten zur Verfügung stellen. Damit diese gleichermaßen nutz-, verarbeit- und vergleichbar sind, braucht es definierte Standards. Wenn jedes Unternehmen seine Daten dafür in unterschiedlichen Formaten bereitstellt, sind diese schwierig zu interpretieren. Das bedeutet, am Ende des Tages vergleichen wir Äpfel mit Birnen und haben ein wildes Sammelsurium an Daten. Standards sind hier also zwingend notwendig, gerade auch dann, wenn nach dem EU Green Deal in Zukunft auch der Product Carbon Footprint, kurz PCF, nachgewiesen werden muss. Wir brauchen also nicht nur die Daten an sich, sondern wir brauchen sie auch in einem einheitlichen Format, damit Maschinen und Anlagen in Zukunft quasi alle die gleiche Sprache sprechen – und das am besten global.

Zitat Bild

Mit der Neoception Digital Twin Infrastructure stellen wir die entsprechende Infrastruktur bereit, um vorhandene Datensilos aufzubrechen und Daten zentral verfüg-, aber vor allem nutzbar zu machen.

Adrian Trabold, Director of Sales Excellence bei Neoception

Wie kommen Sie bei Ihren Kunden an all diese Daten und wie implementieren Sie die Standards bei ihnen?
Adrian Trabold Bei vielen Kunden sind die erforderlichen Daten in aller Regel bereits vorhanden, beispielsweise in ERP- oder PIM-Systemen. Sie nutzen sie nur noch nicht und stellen sie dementsprechend auch noch nicht in standardisierten Formaten zur Verfügung. Genau hierbei unterstützt die Neoception. Wir analysieren gemeinsam mit unseren Kunden zunächst, welche Daten bereits vorhanden sind, welche Daten zur Verfügung gestellt werden müssen und wie wir sie nutzen können. Mit der Neoception Digital Twin Infrastructure stellen wir die entsprechende Infrastruktur bereit, um vorhandene Datensilos aufzubrechen und Daten zentral verfüg-, aber vor allem nutzbar zu machen. Dabei gehen wir mit unseren Kunden alle notwendigen Schritte – von der Beratung bis hin zur Implementierung und Integration in die kundenspezifischen Systeme und Infrastrukturen.

Wie kann man sich das im Detail vorstellen?
Adrian Trabold Das geht jetzt technisch schon sehr ins Detail. Stellen Sie sich vor, die Verwaltungsschale ist in verschiedenen Submodellen strukturiert, beispielsweise das Submodell „Digitales Typenschild“. Für einige dieser Submodelle wurden bereits Templates geschaffen, andere sind gerade noch im Entstehen. In den Bestandsdaten unserer Kunden liegen die Werte, die diesen Vorlagen zugeordnet werden müssen. Und genau das machen wir: Wir führen eine Art automatisiertes Mapping zwischen den Strukturen der Verwaltungsschale und den Daten durch. Das ist natürlich ein viel komplexerer Vorgang, als es nun klingt. Denn damit alle Maschinen wie erwähnt die gleiche Sprache sprechen, müssen wir mit unseren Lösungen dafür sorgen, dass das entsprechende Vokabular verwendet und richtig zugeordnet wird. Nur so kann die Kommunikation von Maschinen untereinander funktionieren.

Wie stellen Sie denn sicher, dass die Maschinen und Anlagen Ihrer Kunden dieselbe Sprache sprechen wie die anderer Unternehmen?
Adrian Trabold Wir arbeiten hierfür sehr eng mit verschiedenen Netzwerken und Partnern zusammen, die sich genau dafür einsetzen, dass wir unternehmens- und industrieübergreifende Standards schaffen. Dazu gehören zum Beispiel der ECLASS-Verein, der sich auf die Semantik fokussiert, die Industrial Digital Twin Association e.V. (IDTA), die Plattform Industrie 4.0 und der ZVEI, aber auch noch viele andere. Durch die enge Kooperation und die vertraute Partnerschaft mit all diesen Netzwerken und Verbänden stellen wir sicher, dass wir Vorreiter sein können, dass unsere Lösungen immer an den anerkannten Standards ausgerichtet sind, und dass wir sie so auch bei unseren Kunden implementieren können.

Und wie profitieren Ihre Kunden am Ende davon, dass sie ihre Daten in standardisierten Formaten sammeln und verfügbar machen?
Adrian Trabold Von den Standards profitieren unsere Kunden in vielerlei Hinsicht. Zum einen sind sie wichtig, wenn ich in meiner Anlage Produkte verschiedener Hersteller verbaut habe, deren Daten ich zentral zusammenführen möchte – die sollen natürlich in einem einheitlichen Format verfügbar sein, damit ich sie nutzen und miteinander in Verbindung bringen kann. Mit Ansätzen wie dem digitalen Typenschild lassen sich außerdem Material und Zeit einsparen, weil etwa keine Papierdokumentation mehr notwendig ist und alle Informationen digital aufgerufen werden können. Auf der anderen Seite können unsere Kunden wiederum ihren Kunden entsprechende Daten in Verwaltungsschalen bereitstellen, die dann ebenfalls von Verfügbarkeit und mehr Effizienz profitieren. Dazu gehören beispielsweise auch die neuesten Firmware-Updates. Und wenn wir schließlich noch einmal eine Ebene höher auf die gesamte Lieferkette schauen, die durchweg transparent und vergleichbar sein soll, ist ein standardisiertes Datenformat zwingend erforderlich.

Mehr Daten bieten also echten Mehrwert?
Adrian Trabold Ganz genau, so kann man das sagen. Mehr Daten in Form standardisierter Verwaltungsschalen bieten nicht nur für das einzelne Unternehmen, sondern für die gesamte Industrie echten Mehrwert und letztendlich profitieren wir alle davon, wenn wir insgesamt effizienter und nachhaltiger agieren.